Freiraum- und Grünentwicklung in Zürich-West
Mit moderierten Quartier-Spaziergängen versucht die Grün Stadt Zürich herauszufinden, was sich die Menschen in Zürich-West von ihrem Viertel für die Zukunft wünschen und wie diese Ideen in die künftige Stadtplanung einfliessen können.
Zuerst eine gute und eine schlecht Nachricht. Die «bad news» ist die, die wir bereits kennen: Bei der Umgestaltung des einstigen Industriequartiers in das moderne Dienstleistungs- und Wohngebiet Zürich-West ist vieles schief gelaufen, was kaum noch zu korrigieren ist. Zu viele Einzelinteressen und Rendite-Orientierung haben aus dem pulsierenden Viertel eine halbtote Bürostadt gemacht.
Das ist ein Fakt, und dies stimmt nachdenklich. Die gute Nachricht ist nun aber diese: Noch ist nicht alle Hoffnung flöten, und in der Stadtverwaltung sitzen ein paar engagierte Menschen, die versuchen, aus dem Schlamassel doch noch ein lebenswertes Quartier zu machen.
Zuvorderst engagiert sich Grün Stadt Zürich hierfür – die einstige Stadtgärtnerei ist heute eine vernetzt denkende Dienstabteilung der Stadt, die daran arbeitet, dass Zürich in grüner Hinsicht eine reiche und lebenswerte Stadt bleibt. Um die künftigen Freiraumkonzepte für Zürich-West formulieren zu können, fühlt Grün Stadt Zürich seit einiger Zeit den Anwohnern und Nutzern des Viertels auf den Zahn. Parallel zu sogenannten «Echoräumen» mit Grundeigentümern finden moderierte Stadtspaziergänge statt, während derer die Ideen und Wünsche der Bevölkerung abgehört werden sollen.
Einem solchen Quartier-Spaziergang haben wir am Samstagmorgen, den 2. September 2023 beigewohnt – es war der dritte seiner Art. An den Spaziergängen nahmen laut Veranstalter jeweils zwischen 10 und 25 Menschen teil. Angeführt wurde «unser» Ausflug von Pierre Nève, der bei Grün Stadt Zürich für die Freiraum-Konzepte zuständig ist. Das bisherige, aktuell gültige Konzept stammt aus dem Jahr 2011 und passt nicht mehr überall, das neue Konzept soll die Freiraumentwicklung neu aufstellen und neue Ideen ermöglichen. Der Fokus liegt auf den Grünräumen, Biodiversität, der Entsiegelung von Böden und dem Kühlen des Stadtklimas.
Gestartet wurde der Rundgang durch Zürich-West am Rande des Schütze-Areals – dieses wird von den Stadt-Verantwortlichen wie von Grünplanern gleichermassen als gelungenes Beispiel von städtischem Grün- und Freiraum bezeichnet. Die Freifläche ist gut gefasst, die umrandende Begrünung vielseitig, der Spielplatz für die Kids ein echtes Abenteuer. Was man noch verbessern könnte, wäre ein am Platz liegendes gastronomisches Angebot, etwa eine Buvette – das allzu versteckte und selten geöffnete Café im Schütze-Schulhaus erfüllt diese Anforderungen leider nicht.
Weiter ging es zum Turbinenplatz – ein Ort, den man heute, zwanzig Jahre später, wohl so nicht mehr gestalten würde. Zu viel Asphalt, zu mickrige Begrünung und eine rundum unattraktive bauliche Kulisse prägen den Un-Ort, der eher ein Durchgangs-Ort als ein Park zum Verweilen ist. Immerhin schaffen die neuen Nebelwolken ein bisschen Erlebnisqualität und lindern die zeitweise grosse Hitze auf dem Platz.
Als potenziell interessant wurden die darauf folgend präsentierten Querverbindungen zwischen den Büro- und Gewerbebauten an der Förrlibuck- und Hardturmstrasse bezeichnet … diese kurzen, zumeist verkehrsfreien Abkürzungen sind beliebt, spenden Schatten zwischen den Häusern und sind punktuell sogar mit Bänken zum Verweilen ausgestattet.
Dass die angrenzende Hardturmstrasse mit ihrem jetzigen Verkehrsregime noch nicht das Gelbe vom Ei ist, war etwas, das allen Beteiligten am vierten Posten des Rundgangs am Fischerweg/Mühelweg auffiel. Die für das jetzt limitierte Tempo 30 viel zu breite Strasse ist eigenartig, unwirtlich und konzeptlos ... hier hat die Stadt noch viel zu tun. Die vereinzelt aufgestellten «pocket parks» in Container-Töpfen machen das Erlebnis Hardturmstrasse noch nicht besser.
Was dafür viel Freude machte, war der Platz am Fusse des neuen Hochhauses des Atmos Business-Parks, in dem die Turnschuh-Firma ON ansässig ist. Sie hat vor dem Haus in Eigenregie einen recht tollen kleinen Park angelegt, der urban und liebenswert ist. Die dahinter liegende Collective Bakery ist ein Publikumsmagnet – die Leute stehen hier Schlange für Brot und Kaffee. Das Beispiel zeigt: Auch mit privater Initiative und vergleichsweise wenig Aufwand ist lebendige, grüne Urbanität möglich.
Der Rundgang führte weiter über den unter dem Hard-Viadukt liegenden Bereich des Mühelwegs am Toni-Areal, der einerseits etwas trostlos und grau ist, andererseits aber auch eine grosszügige städtische Ausstrahlung hat, die Neues denken lässt. Hier wäre ein idealer Ort für einen Quartierflohmarkt, einen Skaterpark oder ähnliches. Die benachbarten Höfe haben eine ganz andere, aber auch sehr attraktive Qualität - privat und grün.
Seltsam verloren und ratlos wirkte die Gruppe auf dem sechsten Posten des Spaziergangs, auf dem Platz vor dem Mobimo-Hochhaus mit dem Renaissance-Hotel. Dieser Platz ist komplett verpfuscht, da hilft auch der ironische Mega-Gesteinsbrocken nicht mehr, der dort ohne jeden brauchbaren Hinweis auf seinen Kunstwert liegt. Hier möchte man nicht länger als nötig sein – lieber flüchtet man sich in die begrünten Maag-Höfe daneben, oder in den Pfingstweidpark.
Den Abschluss des Rundgangs bildete ein Halt am Fusse des Prime Towers – viel Grün ist hier zwar nicht, aber dafür ist wenigstens fast immer etwas los, Tag und Nacht pulsiert hier das Leben, natürlich dank der Geroldstrasse und des Bahnhofs Hardbrücke, der zu den frequenzstärksten des Kantons gehört. Man erfreute sich an der Architektur und an dem (noch) attraktiven Zusammenspiel von Alt und Neu. Bleibt zu hoffen, dass Welti-Furrer und SPS Swiss Prime Site bei der geplanten Umgestaltung ihrer Grundstücke hier nicht auch noch den letzten Funken von Charme wegpusten.